Über dieses Thema wird nicht gern gesprochen, weil Unsicherheit mit Schwäche gleichgesetzt wird. Wir alle haben unsere Unsicherheiten. Niemand gibt sie gern zu, aber sie existieren. Ein Kerl, der ein Studio betritt und sich sofort umsieht, was die anderen so treiben, will dadurch nicht nur etwas lernen – er will sich ein Bild von der Konkurrenz machen. Für Anfänger gilt das genauso wie für Fortgeschrittene, die bereits ordentlich Muskeln aufgebaut haben. Wir alle haben mal dünn angefangen; dass wir viel Zeit in unseren Körper investiert haben, heißt nicht, dass wir uns nicht mehr daran erinnern, wie wir uns als junge Greenhorns gefühlt haben. Manche massivere Kerle werden unfreundlich sein, egal was man zu ihnen sagt, aber damit wollen sie nur ihre eigenen Unsicherheiten überspielen. Versuchen Sie einfach, sie zu ignorieren – wahr- scheinlich haben sie ohnehin nicht allzu viele Freunde. Für die Anfänger unter den Lesern, die einfach unbeobachtet ihr Ding drehen und von den massiveren Kerlen im Studio nicht dumm angemacht werden wollen, ist hier eine kurze Liste mit Dingen, die Sie tun können, um sich mit allen gut zu stellen und obendrein etwas von ihnen zu lernen.
KEIN BESSERWISSER SEIN Mir selbst sind zahllose jüngere Anfänger
begegnet, die durch das Studio laufen als gehörte es ihnen. Grundsätzlich machen sie die meisten Übungen falsch und haben kein Interesse daran, etwas zu lernen. Auf mein Angebot, ihnen zu helfen, reagieren sie in der Regel sauer oder arrogant. Um die Barriere der Einschüchterung zu überwinden und die Spannung der massiveren Kerle untereinander zu entschärfen, ist es das Beste, sie einfach um Rat zu bitten: „Entschuldige, kannst du mir sagen, ob ich das hier richtig mache?“ Wenn sie keine Idioten sind, wird Ihre Bitte um Hilfe dafür sorgen, dass sie Sie respektieren, und ein Kerl mit Anstand wird diesen Respekt erwidern.
NICHT AUFSPIELEN Nichts ist nervender als ein schmächtiger
Anfänger, der krampfhaft versucht, massiver zu wirken als er ist. Die Brust nach vorn zu werfen und durch die Gegend zu laufen, als würde er zwei Koffer tragen, hat zur Folge, dass er wie
ein Idiot aussieht und sich zum Außenseiter macht. Bescheidenheit bringt viel weiter.
NORMALE STUDIOKLEIDUNG Eine der neuesten Moden, die ich im Studio
gesehen habe bzw. eine, die zurückgekommen ist: die Ärmel des T-Shirts entfernen und das Loch so groß schneiden, dass die schrägen Bauchmuskeln zu sehen sind; dabei die untere Hälfte des Shirts bis zur Brust wegschneiden. Diese Jungs könnten auch gleich mit nacktem Oberkörper trainieren! Wenn Sie in der Masse-Abteilung noch nicht viel vorzuweisen haben und sich den Respekt der massiveren Kerle verdienen wollen, sollten Sie normale Studiokleidung tragen. Ein T-Shirt, Aufwärmklamotten, ab und zu ein Tanktop. Auf keinen Fall sollte man 75 kg wiegen und jeden Tag im Tanktop mit dünnen Trägern im Studio aufkreuzen. Als ich anfing, in meinem Studio zu trainieren, traf ich dort auf Nimrod King, eines der Original-Massemonster. Prompt ging ich am nächsten Tag „vermummter“ ins Studio, denn wenn ein Kerl mit 118 kg und streifiger Muskulatur im Tanktop trainiert, will ich nicht im selben Oberteil neben ihm stehen. Auch hier zeigt sich Bescheidenheit als Tugend.
DER SPIEGEL ALS ORIENTIERUNG Allzu oft erlebe ich junge Kerle, die, kaum
dass sie mit dem Training angefangen haben, nach jedem ihrer Sätze diverse Posen vor dem Spiegel einnehmen. Das sieht bei fast jedem blöd aus; selbst ich hebe mir, wenn ich mich auf einen Wettkampf vorbereite, meine Posen fast immer
für die Umkleidekabine oder den Posingraum auf. Auf der Studiofläche zeige ich fast nie eine Pose, denn das sieht in den Augen aller Anwesenden einfach doof aus.
KEINE ZU SCHWEREN GEWICHTE Früher habe ich mit sechs Scheiben auf der
Kniebeugenhantel ¼ Wh gemacht und jedem weiszumachen versucht, es seien Powerkniebeu- gen gewesen. Wie hirnrissig! Heute blicke ich zurück und finde es super peinlich, weshalb ich es auch nur an dieser Stelle erzähle – bitte nicht weitersagen! Der schnellste Weg, die „Veteranen“ im Studio vor den Kopf zu stoßen, ist es, mit einem eindeutig zu schweren Gewicht angeben zu wollen. Bemühen Sie sich, mit guter Technik schwerere Gewichte als alle anderen in Ihrem Studio zu heben, aber achten Sie wirklich auf die saubere Technik. Das wird Ihnen in kürzester Zeit eine Menge Respekt einbringen.
EINFACH DEN MUND AUFMACHEN
Die meisten massiveren Kerle im Studio sind keine Arschlöcher. Gehen Sie einfach auf sie zu, machen Sie den Mund auf und fragen Sie: „Wie geht´s?“ Damit können Sie nichts falsch machen und es wird Ihre Hemmschelle niederreißen. Denn letztlich ist die Einschüchterung oder Unsicher- heit, die Sie fühlen, nur auf Ihren eigenen Mist gewachsen und die Wahrscheinlichkeit groß, dass der massivere Kerl, vor dem Sie Bammel haben, einfach nur in Ruhe trainieren will und sich keinen Deut um Ihre Anwesenheit schert. FLEX