In dieser Miniserie geht es um Ziele und Erwartungen natürlicher Bodybuilder mit durchschnittlicher
Genetik. Die Mehrheit der FLEX-Leser dürfte in diese Kategorie fallen. Natürlich sind Sie, falls Sie überdurchschnittliche Gene oder sogar herausragende Gene für Bodybuilding besitzen, in der Lage, noch massivere Muskeln als jemand mit durchschnittlichen Genen aufzubauen. Es ist allerdings gut möglich, dass Sie erst dann zu einer relativ guten Einschät- zung Ihres genetischen Potenzials gelangen können, nachdem Sie bereits ein gutes Stück vorangekommen sind bei dessen Realisierung. Seien Sie also realistisch, aber treiben Sie Ihren Realismus nicht so weit, dass er Sie ernüchtert und Ihren Enthusiasmus dämpft.
ÜBER DAS MASSBAND HINAUS Entscheidend für den Eindruck, den ein Körper macht, ist sein Aussehen, nicht seine Maße. Natürlich hängen beide zusammen, aber nicht so sehr, dass Sie sich ausschließlich um Ihre Maße kümmern sollten. Manche Männer prahlen mit 48-cm-Armen
und einer 127-cm-Brust, verschweigen aber gern, dass ihre Taille über 97 cm dick ist und ihr Wadenumfang nur 36 cm beträgt. Das Aussehen des Körpers resultiert aus der Summe sämtlicher Muskelumfänge. Wie schlank oder dick die Taille ist, macht einen Riesenunterschied aus bei der Optik, die durch die Gesamtheit aller Umfänge erzeugt wird. Derselbe Grundsatz gilt auch für Topbody-
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ERWARTUNGEN TEIL 2
builder. Stellen Sie sich Günter Schlierkamp (siehe Foto) mit 50 Pfund Speck auf seinem Körper vor. Diese 50 Pfund Fett würden seinen Körper ruinieren, obwohl er sehr viel massiver wäre. Packen Sie nie Gewicht auf Ihren Körper,
indem Sie für lange Zeit exzessiv Kalorien zuführen. Ziel ist ein muskulöser, kein weicher oder schwammiger Körper. Solide Oberarme mit 40 cm Umfang sind, begleitet von einer 79-cm-Taille, beeindruckend, wenn man natürliche Maßstäbe anlegt. Dieselben 40-cm-Arme, von einer 89-cm-Taille begleitet, sind weit weniger beeindruckend. Optieren Sie grundsätzlich für ein niedriges Körperfettprozent. (Eine kleine Fettzunahme, während Sie viel Muskelgewebe aufbauen, ist normal; Sie können das Fett später wieder abbauen.) Der Körper eines Bodybuilders muss vom
Nacken bis zu den Waden ausgewogen sein. Peilen Sie dieselben Umfänge, plus/minus 1 cm, für Arme und Waden, an; Ihr Nacken sollte 2-3 cm dicker sein. Unabhängig davon, ob Sie auf Muskeln oder Kraft abzielen, müssen auch solche Körperpartien, deren Umfänge eher irrelevant sind, stark und gut aufgebaut sein – unterer Rücken und Trapezmuskel zum Beispiel; der Rücken sollte insgesamt voll und dicht sein, nicht nur breit.
BEEINDRUCKEND HEISST NICHT UNBEDINGT RIESIG Oft werden Ergebnisse, die gemessen an den
Standards der heutigen Topprofis nicht herausragend sind, als nicht beeindruckend eingestuft. In Wahrheit können jedoch auch solche Ergebnisse, die weit hinter denen der Elite zurückbleiben, als durchaus herausra- gend bewertet werden. Lassen wir Maße und Trainingsgewicht
einen Moment lang beiseite, um uns nur auf Körpergewicht und Körperfettprozent zu konzentrieren. Gewiss bringen einige Mitglieder der Bodybuilding-Elite wie Robert Hatch, Dave Henry und Johnnie Jackson über 110 kg bei unter 5% Körperfett auf die Waage, aber ihnen allen wurden sensationelle Bodybuilding-Gene in die Wiege gelegt. Ein Körpergewicht von „nur“ 85 kg mit einem tatsächlichen Fettanteil von 10% bei 175 cm Körpergröße und leichtem bis mittlerem Knochenbau ist, an allen Standards außer an denen der Bodybuilding-Elite gemessen, herausragend. Eine andere Geschichte sind 85 kg bei 20% Körperfett, denn diese Zahlen bedeuten fast 20 Pfund weniger Muskeln. Bei derselben Körpergröße sind selbst 80 kg bei 10% Körperfett beeindruckend für einen Mann mit sehr leichten Knochen (Handgelenke schmaler als 16,5 cm und Fußgelenke schmaler als 20 cm). Der Knochenbau ist eine individuell sehr
unterschiedliche Sache, allerdings sind die Extreme – Handgelenke unter 15 cm und Fußgelenke unter 20 cm bei Männern – sehr selten. Der Knochenbau ist zwar ein wesentlicher, aber nicht der allein ausschlag-