929 | WEEK 4-5 22 JANUARI 2020
GESCHICHTE DER BINNENSCHIFFFAHRT IN DUISBURG Museum der Deutschen Binnenschifffahrt ist immer der Mühe wert
DUISBURG In Duisburg-Ruhrort befindet sich auf der Route der Industriekultur eine kleine Schatztruhe für alle, die auch nur ein bisschen Interesse an Schiffen, Geschichte und Duisburg haben. Für Binnenschiffer sollte es eigentlich ein Pflichtbesuch sein. Es ist das Museum der Deutschen Binnenschifffahrt. Schon einige Male war ich dort, meist an einem dunklen Dauerregentag, denn bei gutem Wetter bin ich lieber draußen mit dem Fahrrad unterwegs. Ich fahre dann gerne auf einem der Duisburger Radwanderwege, die am Rhein entlang und durch den Hafen führen. Fünf Routen gibt es. Eine, der Erlebnisradweg “Ruhrort”, führt übrigens an dem Museum entlang. Man könnte beides kombinieren: Fahrradfahren und Museum besuchen. Ich habe das noch nie gemacht. Für mich heißt Sonne draußen, Regen drinnen. Und drinnen im Binnenschifffahrtsmuseum ist genug zu sehen, um da einen ganzen Morgen oder Nachmittag zu verbringen.
JUDITH STALPERS
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‘Tausend und eine flaschenpost’, Ausstellung des Kölner Künstlers joachim römer (2015).
Museum der Deutschen Binnenschifffahrt in Duisburg-Ruhrort.
Fünf gute Gründe für einen Besuch Erstens, die Menschen an der Kasse/ Infotheke sind sehr nett. Sie informieren einen unaufgefordert darüber, was speziell zu sehen ist, wo es in dem etwas labyrinthischen Gebäude entlang geht, oder wo man Kaffee und Kuchen bekommt. (Im Moment wird allerdings für das Cafe ein neuer Pächter gesucht.)
Zweitens, das Gebäude ist ein Schmuckstück. Es war mal die Ruhrorter Badeanstalt, die 1908-1910 im Jugendstil gebaut wurde. Links vom Eingangsbereich gesehen ist das große Bad, wo früher die Herren schwimmen durſten, und rechts eine halb so große Damenschwimmhalle. 1986 wurde das Schwimmbad geschlossen, um nach gründlichen Renovierungen und Umgestaltungen zum heutigen Museum umfunktioniert zu werden, das 1998 eröffnet wurde. Bekachelungen, Pfeiler und die Galerie um das erhaltene Schwimmbecken herum vermitteln noch immer das Gefühl, durch eine Badeanstalt zu gehen. Das gibt dem Ort einen besonderen Charakter. Allerdings schwimmen da keine Menschen mehr herum; auf den beiden Beckenböden liegt vielmehr jeweils ein Schiff – so, alsob es schwimmt. Eine gute Idee war das! Der historische Segeltransporter ‘Grote Verwachting’ liegt im Herrenbecken; das Erlebnissteuerhaus ‘Hermann’ für Kinder befindet sich im Damenbecken.
Drittens, die Ausstellung erzählt anschaulich die Geschichte der Binnenschifffahrt. In chronologischer Reihenfolge zeigt sie die Entwicklung vom ältesten Einbaum, über die Römerzeit, die Flöße bis zum Gütertransport in der Gegenwart, ich würde sagen, bis etwa 2010, worüber man in aller Ruhe staunen, sich beeindrucken lassen und sich informieren kann. Voll war es bei meinen Besuchen in diesem Museum nie, und das ist sehr angenehm. Es waren immer nur ein paar Familien mit Kindern da, die frei herum laufen konnten und niemanden störten. Im Gegenteil, die lebendige Darstellung der Geschichte mit Dioramen, Modellen, Inszenierungen der Berufe, inspiriert die jungen Kinder. Eine Art
Quiz-Fragenbogen, dessen Antworten sie im Museum finden müssen, regt sie weiter an, die Binnenschifffahrtswelt zu entdecken. Am Sonntagnachmittag gibt es für einen Aufpreis von 2 Euro pro Person eine Führung. Die ist eher für Jugendliche und Erwachsene geeignet. Es ist eine Ausstellung für alle, sehr bodenständig und auf das Hauptthema konzentriert. Und gerade weil alle Besucher einander so kreuz und quer durch die Hallen und Etagen gehend immer wieder begegnen, kommt es leicht zu netten Gesprächen. Die Erwachsenen, insbesondere wenn der Großvater dabei war, hatten fast immer selbst etwas mit dem Ruhrgebiet bzw. dem Hafen zu tun. Manchmal kriegt man die persönlichen Geschichten der lokalen Besuchern so als Zugabe dazu.
Viertens, es gibt in zwei Räumen wechselnde Sonderausstellungen, und die sind manchmal richtig originell. Oben im Herrenbad ist, wo früher vermutlich ein Verwaltungsraum war, eine Galerie, in der lokalen Künstler ausstellen und verkaufen können. Ihre Werke müssen etwas mit Wasser, Schiffen usw. zu tun haben. Einmal war da eine richtig lustige Ausstellung über Flaschenpost des Kölner Künstlers joachim römer, mit vielen Fundstücken und kreativ gestalteten Botschaſt-Flaschen. Geht man zwei Treppen nach unten, dann kommt man in den tiefen, gekachelten Teil des Schwimmbads (unter dem Rumpf des Tjalks ‘Grote Verwachting’). Letztes Mal war da eine sehr informative Ausstellung über West- und Ostdeutsche Kanäle, Schleuse und Schiffshebewerke, teils historisch, teils technisch. Aber da war auch mal eine Ausstellung über die ‘Beute’ eines Kanufahrers, der seit Jahren Plastik aus dem Rhein und seinen Seitengewässern beseitigt. Das gibt den Besuchern zu denken!
2017 hat das Museum einer Schenkung einen eigenen Raum gegeben. Es ist eine Sammlung von Tausenden Schiffspostkarten. Eine Künstlerin hatte über fast 40 Jahre Postkarten aus aller Welt gesammelt, die auf Ihren Aufruf hin zugeschickt worden waren. In diesem Raum könnte man lange Zeit damit verbringen, die vielen hundert Postkarten zu betrachten, die vom Boden bis zur Decke an der Wand ausgestellt sind, und ihre nostalgische oder künstlerische Qualitäten auf sich einwirken zu lassen. So etwas gibt es nur in Duisburg.
Fünſtens, vom Museum aus kann man zwei Museumsschiffe im nahegelegenen Hafenbecken besuchen, aber nur zwischen Ostern und September. Für Kinder und Leihen ist das ein Erlebnis; für die Profis, also für Sie,
geehrte Leser, ist so was natürlich Alltag. Die beiden Schiffe bringen die Binnenschifffahrt den Besuchern zum Anfassen nah. Eigentlich, und das dachte ich auch bei meinem letzten Besuch in dem Museum, eigentlich müsste die Branche hier Werbung für das Fach machen. Wenn ich gehe, ist es Wochenende, und meistens sehr ruhig, aber an Wochentagen kommen viele Schulklassen. Hier könnte man die jüngsten Besucher für die Schifffahrt begeistern.
Radwanderwege Der Duisburger Hafen hat 2016 zum 300. Jubiläumjahr eine praktische Karte ‘Duisburger Radwege’ ausgegeben. (Anzufragen über
mail@duisport.de) Der Hafen hat damals einige Abschnitte der Radwege als Geschenk an die Stadt angelegt und begrünt. Die fünf ausgeschilderten Radwege sind zwischen 4 und 47 Kilometer lang.
Route der Industriekultur 1999 wurde diese Route entlang alter renovierter, renaturierter und umgewidmeter Kohle- und Stahl-Industriestätten für den Tourismus offiziell eröffnet. Sie ist 400 Kilometer lang, verteilt über 22 kürzere Themenrouten, die alle auch mit dem Fahrrad leicht zu besuchen sind. Am berühmtesten sind die Zeche Zollverein in Essen, inzwischen zu Weltkulturerbe ernannt, der Gasometer in Oberhausen, die Villa Hügel (der alte Wohnsitz der Familie Krupp) in Mülheim an der Ruhr und die blaue renaturierte Emscher (einst der schmutzigste Fluss Deutschlands) quer durch das Ruhrgebiet. Hier gibt es immer viel zu entdecken. Im Sommer ziehen die Ruhrfestspiele in Recklinghausen und die Ruhrtriennale mit Konzerten, Theater und Ausstellungen an vielen Orten auf der Route der Industriekultur, Tausende Besucher aus In- und Ausland an.
Tjalk ‘Grote Verwachting’ im Herrenschwimmbad des Museums der Deutschen Binnenschifffahrt.
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