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GAMES: „Working On A
von Rainer Etzweiler Dream“
Auf seiner 16. Studioplatte geht The
Boss den rockigen Weg, den er auf
dem Vorgänger „Magic“ einge-
schlagen hatte, weiter – zwar nicht
so laut, dafür so üppig wie noch nie,
seit er die E Street Band aus dem
Tiefschlaf geweckt hat. Schon der
Opener „Outlaw Pete“ ist reich
instrumentiert und in Streicher-
arrangements gehüllt, „Working On A
Dream“ kennt man aus dem Wahl-
kampf von Barack Obama. Der Rest
ist Herzenssache und wie eine
jahrelange Freundschaft, bei der
man weiss, was man an ihr hat, die
einen aber immer wieder über-
raschen und aufs Neue heraus-Bruce Springsteen: American Beauty
fordern kann. (dave)
The Boss kehrt zurück. Wir kehren uns um und werfen einen Blick zurück.
„Ich habe die Zukunft des Rock'n'Roll gesehen – ihr Name ist Bruce Springsteen.“ Dieser 1974 ausgesprochene
Satz von Jon Landau, damals Musikjournalist und heute Springsteen-Manager, sollte sich innert kürzester Zeit
bewahrheiten. Heute zählt Springsteen zu den beseeltesten Geschichtenerzählern und Musikern der Welt – was
auch mit seiner Authentizität zu tun hat. Als Sohn eines irisch-holländischstämmigen Busfahrers und einer
Anwaltssekretärin italienischer Herkunft lernte Springsteen schon früh das Leben der Arbeiterklasse kennen
und unterstützt bis heute zahlreiche gewerkschaftliche oder soziale Organisationen. Nicht zuletzt deshalb wird
er von vielen Amerikanern als „Mann des Volkes“ verehrt.
Bereits Mitte der 70er hatten sich The Boss und seine E Street Band mit balladesken Rocknummern im
Rockzirkus etabliert. Doch endgültig im Rockolymp angekommen war Springsteen 1984 mit dem Album „Born
In The U.S.A.“, das sich im Sogwind des gleichnamigen Songs und dank des massigen und massentauglichen
Stadionrock-Bombastes bis heute weltweit über 20 Millionen Mal verkauft hat. Dabei ist der Song das grösste
Missverständnis seiner Karriere: Als Anklage gegen die Vietnampolitik der USA und den Umgang mit
Kriegsveteranen geschrieben, wurde das Lied – auch dank der US-Flagge auf dem Albumcover – als
patriotische Liebeserklärung aufgenommen und sogar von den Republikanern für den Wahlkampf angedacht.
The Boss untersagte dies freundlich. 2004 stellte er den Song „No Surrender“ dem demokratischen
Präsidentschaftskandidaten John Kerry im Wahlkampf zur Verfügung.
Anfang der 90er schien es, als würde Springsteens Karriere deren Ende nicht mehr miterleben. Seine zeitgleich
veröffentlichten Alben „Human Touch“ und „Lucky Town“ enttäuschten sowohl Fans als auch Kritiker. The Boss
hatte sowohl sein musikalisches Feuer als auch die Bissigkeit in seinen Texten verloren, wirkte verkrampft und 2009
schien nur noch ein zahnloser Rock-Dino zu sein, der von den jungen Wilden des Alternative Rock ins Tal der erke (dave)
Bedeutungslosigkeit vertrieben wurde. Doch kaum war der Lärm verschallt, biss Springsteen zurück, erst mit
„Streets Of Philadelphia“ (dem Titelstück zum Film „Philadelphia“) und kurz darauf mit „The Ghost Of Tom
Joad“, einem reduzierten, fast schon gespenstischen Album, das seinen Bestattern die Schaufeln aus den
Händen riss.
Springsteens Bedeutung darf man jedoch nicht nur im musikalischen, sondern auch im soziokulturellen Kontext
suchen. Auch wenn er sich erst spät mit politischen Themen auseinanderzusetzen begann, wurde er über Jahre
hinweg zum Gesicht des „anderen Amerika“, das die Missstände nicht unter den Teppich kehrte, sondern offen
und direkt kritisierte. Besonders deutlich zeigte sich das nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001
in New York. In der Stadt, die ein Jahr zuvor bei den Präsidentschaftswahlen George W. Bush eine schallende
Ohrfeige verpasst hatte, war das gesellschaftliche Leben beinahe zum Erliegen gekommen. Die Menschen
verurteilten den ausgerufenen Kampf gegen den Terror und die „Achse des Bösen“ und die damit verbundenen
Kriege in Afghanistan und später im Irak. Sie brauchten aber jemanden, der ihnen eine Stimme gab und
Hoffnung spendete – und jemanden, der ihnen zeigen konnte, dass es immer noch in Ordnung war, sein Land zu
lieben und stolz zu sein, ein Amerikaner zu sein. Springsteen verarbeitete das Erlebnis so, wie er es in
unbehaglichen Situationen immer tut: er fing an, Songs zu schreiben. In einem Interview mit dem Rolling Stone
beschrieb er den Moment, als ihm klar wurde, dass er dieses Album – sein erstes seit sieben Jahren – machen
musste. Ein paar Tage nach dem 11. September habe ihm ein Mann aus einem vorbeifahrenden Auto „Bruce, we
need you!“ zugerufen. Da sei ihm klar geworden, dass er einen Job zu erledigen hatte. Das Resultat war „The
Rising“, ein sakrales Meisterwerk, das Träume und Ängste in sich vereinte und sich in „My City Of Ruins“ (das
er eigentlich seiner alten Heimatstadt Asbury Park gewidmet hatte) aus den Trümmern der Zukunftshoffnungen
zu einem Zufluchtsort emporhob. Zudem erlöste er seine Anhänger, da er erstmals seit fast 20 Jahren ein Album
wieder mit der E Street Band eingespielt hatte. Was seither folgte, schraubte sein Denkmal stets ein Stück
weiter in die Höhe.
Ein Überblick über die frühen und weitere ausgesuchte W
1973 1973 1975 1978 1980 1982 1987 1995 2005 2006
„Greetings From Asbury Park, „The Wild, The Innocent And „Born To Run” „Darkness On The Edge Of „The River” (1980) „Nebraska” „Tunnel Of Love” „The Ghost Of Tom Joad” „Devils & Dust“ „We Shall Overcome: The
N.J.“ The E Street Shuffle” Springsteens Durchbruchalbum Town” Ein Doppelalbum mit Doppelge- Springsteen wandert allein auf Ein Album, das die Liebe zum Quasi die Fortsetzung von „Ne- Das dritte Album der inoffiziellen Seeger Sessions“
Das etwas zügellose und manch- Der Sound, der die nächsten und ein erster Meilenstein auf Ein weiteres, ja vielleicht das schmack. So saftig die eine den Spuren von Woody Guthrie. Thema hat. Die E Street Band braska“, wenn auch mit anderen Trilogie aus „Nebraska“ und Springsteen interpretiert tradi-
mal fast zu überbordende Debüt. beiden Platten unsterblich mach- dem langen Karriereweg. „Born Meisterwerk. Weniger ausufernd Hälfte der Songs schmeckt, so Eigentlich eine Sammlung von wurde auf Eis gelegt, der Sound Schwerpunkten. Springsteen „The Ghost …“. Erstaunlich, wie tionelle Folk-Stücke des Aktivist-
Springsteen erzählt sich die en sollte, kristallisiert sich lang- To Run“ ist oft zu viel und nie- als „Born To Run“, aber mindes- verkocht ist die andere. Da war Demos, ist es eine Platte, deren kam nicht mehr so breitbeinig blickt nicht in sein Land, sondern leise The Boss laut sein kann – en Pete Seeger. Ein historischer
Geschichten von der Seele, als sam heraus. Es wird noch wild mals genug, gleichermassen tens genauso kraftvoll. Jeder mehr irgendwann zu viel. Einfluss auf Musiker verschie- daher wie noch auf „Born In The auf die Figuren, die es und umgekehrt. und musikalischer Rückblick auf
gäbe es kein Morgen. experimentiert und gestikuliert. erlösend wie fesselnd. Song ein atemberaubendes denster Genres bis heute anhält. U.S.A.“ (1984). Vielleicht die hervorgebracht hat. die Geschichte der USA.
Monument. Gut hörbar etwa auf Tom Morel- meistunterschätzte Springsteen-
G. los Debüt als The Nightwatchman. Platte. G.50 N° 54 N°
MA MA 54 51
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